REZENSION: Die Blechtrommel, West Yorkshire Playhouse ✭✭✭✭

Kneehigh Theatre's Die Blechtrommel Die Blechtrommel

West Yorkshire Playhouse

4 Sterne

Tour-Info Auf einer Ebene kann die Geschichte einfach erscheinen, fast kindlich, mit Anklängen an Kinderreime von Trommeln und Spielzeugläden - dennoch ist 'Die Blechtrommel' eine teuflisch vielfältige und komplexe Erzählung, die sich jeder kurzen Zusammenfassung entzieht. Ein Wunderkind, Oskar, wird inmitten sozialen und politischen Aufruhrs geboren; seine blecherne Trommel gibt ihm eine gottgleiche Macht über Kontrolle, deren Bestie durch die Geschichte wie ein unheimlicher Achtziger-Disco-Beat pocht und nachhallt. Als er das Erwachsenenalter erreicht hat, hat er seine Eltern (alle drei) verloren, sich in die Geliebte seines Vaters verliebt und erlebt, wie seine Heimat durch ethnische Säuberungen eines Nazi-ähnlichen Regimes zerrissen wird. Auf dem Weg hat er erkannt, dass er Glas- und Trommelfelle durch Schreien zerspringen lassen kann, und mit vier Jahren beschlossen, den Alterungsprozess aufzuhalten, indem er sich selbst die Treppe hinunterwirft. Dies ist kein Junge, mit dem man sich anlegen sollte, und die kindliche Wildheit und Reichweite seiner Macht spiegeln sich in den ebenso heftigen sozialen Umwälzungen wider, die um ihn herum vorgehen. Das alles mag etwas verwirrend klingen, das mag chaotisch wirken - aber das ist das Leben im Allgemeinen, insbesondere in seinen dunkleren Elementen und besonders in den Problemen und Dynamiken von Gesellschaften im Chaos - mehr denn je in diesen Tagen von Brexit, mexikanischen Grenzmauern und ethnischen Säuberungen in Myanmar. 

Die Kompanie von Die Blechtrommel Die Geschichte, adaptiert aus dem Roman von Günter Grass von Carl Grose, wird treffend, energisch und fantastisch zum Leben erweckt von Kneehigh unter der Regie von Mike Shepherd mit einem wahren Füllhorn an Puppen, Schatten, Explosionen und Modellen, neben Schauspielern, die zu einem Live-Orchester singen, oft in einer Parodie der 80er Musik (der Ära, in der die ikonische Verfilmung populär wurde). Bemerkenswert in einer Besetzung, die so dynamisch und vital ist wie die Effekte, sind Rina Fatania als Oskars erdengeborene Großmutter, die Essen, Gänse, Gewehre und sogar Oskars Großvater unter voluminösen Röcken hervorbringt, und Damon Daunno als Oskars zum Scheitern verurteilter, vielleicht Tenor-Vater. 

Kneehigh Theatre's Die Blechtrommel Aber es ist das schiere Spektakel der Produktion, das im Kopf bleibt. Einige der Ereignisse sind atemberaubend: eine Prozession winziger Menschen wird Richtung Todeslager marschiert, Papierfenster werden von Oskars unirdischem Schrei zerfetzt. Gelegentlich, für mich, siegte das Spektakel über die Geschichte und das Tempo verlangsamte sich, als ein einzelner dramatischer Punkt über ein Lied oder eine Bewegung hinweg hervorgehoben wurde, aber die Begeisterung des Publikums – überwiegend und erfrischenderweise jung – zeigte mir, dass ich in dieser Hinsicht in der Minderheit war.  Und dann war da das Spektakel von Oskar. Unheimlich und gespenstisch als blau-getönte Marionette realisiert, besaß er eine beherrschende Bühnenpräsenz, die ganz seine eigene war.  Die Energie und das Spektakel dieser unruhigen Geschichte waren unbestreitbar, ich verließ das Theater mit vielen Gedanken und Überlegungen, die bei mir bleiben und meine eigenen Gedanken und Überlegungen zu den ebenso unruhigen Zeiten, in denen ich lebe, wecken werden. 

Die Blechtrommel wird nun vom 6. bis 23. Dezember 2017 im Shoreditch Town Hall aufgeführt.

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